Licht und Dunkel (Gedichte & Prosa)

Inhalt:

 

 

Der Mond ging einsam seine Runde

Manchmal

Rosen

Rabenmutter

Unten am See

Alter Mann

Allein, allein

Die hellen, klaren Tage

Vom Glück

Von der Liebe

Sterne

Ganz unten

Es geht ein Mann den Deich entlang

Mancher Tage Abend

Abendröte

Heimlich

Was bleibt

Der Mond ging einsam

seine Runde

 

 

Der Tag hat ihm das Kreuz gebrochen.

Nun steht er langsam wieder auf.

Sein Herz: er hört es lauter pochen

und nimmt das Trommeln auch in Kauf.

 

Am Flussufer, wo er nun steht,

sitzt jemand, die ihn nicht mal sieht...

Nimmt ihn erst wahr, als er schon geht -

und es ihn doch zur Umkehr zieht.

 

Da sitzen sie, in düstrer Stille

am silbermatten, breiten Fluss.

Scheinbar ist es nur Lebenswille,

daß man zusammenbleiben muß.

 

> Ich will nicht mehr, < klagt sie in Trauer.

> Ich kann nicht mehr, < sagt er.

Sie lehnen an der Ufermauer.

Das bisschen Reden fällt schon schwer.

 

In Flussmitte fahr´n Schemen hin.

Vorbei ziehende Lichter.

Mitunter heben sie ihr Kinn:

verbergend die Gesichter.

 

Nur einmal ist´s ein heller Strahl,

der weiter - längs dem Ufer schleicht.

Sie sehen sich zum ersten Mal:

vielleicht, daß es für länger reicht.

 

Sie rücken näher zueinander.

Zwei Fremde, die verstehen:

alleine verlieren sie sich.

Mit dir könnte es gehen.

 

                     *

 

Sie sahen keine Wege mehr.

Doch drängt sich, schwach noch, lichtes Hoffen,

ins Dunkle, ohne Wiederkehr

und lässt hinter sich alles offen.

 

Der Mond ging einsam seine Runde

und sank im Fluss zu früher Stunde.

 

 

Worte & Bild: (c) Ralph Bruse

Manchmal

 

 

Manchmal,

in irre langen Nächten,

wenn draußen kein einziger Stern

die träge Schwärze durchdringt

und nur der halbe Mond bleich und 

nassglänzend dicht über dem Gartenzaun hängt, 

als wolle er umkehren:

steh ich am Fenster,

greife schaudernd nach hinten -

und ins Leere.

 

Dann klapp ich mein Tagebuch zu.

Lösche das Licht.

Packe Mond, Sehnsucht, schweren Regen ein

und lass mich aus allen Wolken fallen.

 

Manchmal schlage ich weich am Meeresstrand 

auf. Und zwinkere der Sonne zu...

 

...So, wie du mir, 

wenn der andere, graue Morgen kommt 

und du die Sonne wieder holst.

 

 

 

©  Ralph Bruse

Rosen

 

 

Er brachte ihr zum Mittagessen eine Rose mit.

Die Blume welkte schon am Abend.

Am nächsten Tag eilte er in denselben Blumenladen,

bat um eine frischere Rose. Die Verkäuferin lächelte

milde, oder auch mitleidig – so genau konnte er das

nicht deuten. Sie reichte ihm eine Rose, die erst am

Morgen geschnitten worden war. Damit lief er zurück.

Es war Mittag, und die Rose warf am Abend fast al-

le Blütenblätter gleichzeitig ab.

Seine Freundin schmollte leicht – bat dann aber schon

viel charmanter, ihr doch irgendetwas Kostbareres mit-

zubringen. Etwas, das Hals, Hände, oder ihre Ohren

ziert, überlegte sie lauter.

Nun denn: am nächsten Tag lief er abermals in die Stadt.

Kam am Blumengeschäft vorbei, wollte schon weiter, 

um im Schmuckladen, nebenan, einzukehren. Die Blu-

menverkäuferin hielt ihn auf. Sie winkte von drinnen.

Er winkte auch ihr. Dann kam sie lächelnd mit einer Ro-

se zur Tür, schenkte sie ihm.

Er war verlegen. Dankte mehrmals. Vergaß beinah den

Schmuckladen, nebenan.

 

Als er abends zur Freundin kam, war sie völlig aus dem

Häuschen. Der teure Armreif aus 585er Gold stand ihr 

gut. Sie hatte lange nur Augen dafür, spielte zärtlich da-

mit und strahlte wie das grelle LED-Licht, oben, an der 

Zimmerdecke. Darüber vergaß sie, der Blume Wasser zu

geben. Er übernahm das.

Die Rose erfreute und erwärmte ihn irgendwie auch. Ta-

gelang. Die Schöne wollte und wollte nicht verblühen. 

 

Eine Woche danach: er stöberte wieder mal nach funkeln-

dem Schmuck. Wenn auch schon weniger begeistert...Da

kam er nachher an der Türe, nebenan, vorbei. Und als er

die sanft lächelnde Blumenverkäuferin in ihrem schlichten,

dunkelblauen Kittel sah, da dachte er darüber nach, ob es

bei der nächsten Rose auch wie bei der Letzten sein wür-

de? Und ob sie damit vielleicht irgendwas zu tun haben 

könnte...

Einer Eingebung folgend, betrat er das Blumengeschäft

und nie mehr das andere, gleich nebenan.

 

 

© Ralph Bruse

 

 

 

Rabenmutter

 

 

Ist alles schon lange her.

Trotzdem steht er nach Jahren hier, vor ihrem Fenster.

Die Dunkelheit schützt ihn.

Damals nützte ihm die Dunkelheit nichts. Sie fand ihn

auch dort – und schlug zu.

 

Er weiß nicht, was er hier jetzt noch verloren hat, außer

das Kindsein. Die Scheibe einschmeißen? Nach dem 

größten Stein greifen und ihn da reinschleudern?

Ihre Gestalt taucht im gelblichen Zimmerlicht auf. 

Er duckt sich, wie er sich schon damals ängstlich weg-

duckte. 

Geht davon.

 

Vielleicht starb sie ein Jahr später. Oder zwei, drei. Er

wird es nie erfahren. Niemand sagte es ihm. War auch 

nicht nötig. Er ist verrückt geworden. Fast. Ist ein an-

derer. Aber am Leben.

Leben!

 

 

© Ralph Bruse

Unten am See

 

 

Dort unten am See sinkt mein Tag

zu Abend in tiefblaues Licht.

Was gerade noch erkennbar lag,

das seh ich alsbald sicher nicht.

 

Nur Fühlen der feuchtkühlen Schleier,

die schweigend mir gehen zur Hand.

Und drüben, im Schilf, jener Reiher,

der lange bewegungslos stand:

ist fort,

plötzlich fort.

 

Nun stehe ich mutterseelenallein,

am lichtleeren, tiefschwarzen See.

Ich will da zunächst garnicht sein

und sage schon flüsternd: komm, geh.

 

Doch bleibe ich bis zum anderen Morgen.

Bin frierend und lange nur stumm.

So müde in taumelnder Weite geborgen,

ging vieles auch noch in mir um.

 

                            *

 

Ist gut.

Die Furcht nahm ihren Hut.

Ich summte versunken ein Lied

und lächle alsbald in die dämmernde Frühe.

 

Im Dornenstrauch - die Haubenmeise

sang meine schlichte, alte Weise

aus zarter Kehle mit.

 

 

©  Ralph Bruse

Alter Mann

 

 

Es ging ein alter Mann im Regen

den leeren, grauen Bahnsteig lang.

Sein Gang: in Zeitlupe bewegen.

So sank er auf die harte Bank.

 

Die Gleise schimmerten im Licht,

das sich an die Nacht verlor.

Er blickte auf, doch sah er nicht:

um ihn schloss sich Tür und Tor.

 

Er saß nun, wie auf einer Insel,

inmitten jener großen Stadt

und malte sich mit breitem Pinsel

vergang´ne Jahre hell und glatt.

 

Züge fuhren ein - und fort.

Durchnässt trank er vom Regen.

Den Mund öffnend im Dunkel, dort,

spürte er auch tiefsten Segen.

 

Im letzten Zug vor Mitternacht,

verlor sich seine Spur.

Daß jemand mitfuhr – mit ihm lacht,

zählte am Ende nur.

 

 

© Ralph Bruse

Allein, allein

 

 

Am rauhen Haff zu Boltenhagen

saßen die Frau und jener Mann.

So vieles gäbe es zu sagen:

doch schwieg man zunächst dann.

 

Sie hörten auch das Brandungsrauschen

und Möwen durch den Sturm.

Die Nacht naht, mit dem Tag zu tauschen.

Es blieb das Licht vom alten Turm.

 

Von dort zog lang der grelle Strahl

stupide seine weiten Runden.

Hin und wieder stoppt er mal,

für Minuten, oder Stunden.

 

In Schwärze sitzen sie nun da,

der Mann und jene Frau:

getrennt, doch irgendwie auch nah...

Wer weiß das schon genau.

 

Knapp dreißig Meter zwischen beiden

am dunklen, kalten, nassen Strand:

wie Sterne, die sich seewärts scheiden

und plötzlich eins sind über Land.

 

Noch Fremde und in Stille fallend,

gehn suchend ihre Blicke wandern.

Nichts blieb, was noch im Winde hallend,

den Blick raubt für den andern.

 

                             *

 

Die Nacht starb hin. Im Morgenlicht

tanzten funkelnde Libellen.

Es klarte sich die trübe Sicht

auf Land, Strand, Himmel, Wellen.

 

Am Ufer, da - nun nah bei sich,

schliefen zwei, wie du und ich.

 

 

© Ralph Bruse

Die hellen, klaren Tage

  

  

Er steht dort, in nicht großer Ferne

zum nächsten Polizeirevier.

Sein Freund, die alte Rost-Laterne,

die steht schon Jahre länger hier.

  

Es ist längst Nacht und ihm ist kalt.

Er schreibt eifrig, um sich zu wärmen.

Die Wärme flutet ihn schon bald.

Die Nacht ist wie gemacht, zum Schwärmen.

  

Sterne sieht er heute keine,

jedoch dafür den halben Mond -

so ist er nicht, wie sonst, alleine,

wenn noch ein Licht auf Dächern thront.

  

Es dauert einige Minuten

und bis zur elften Zeile...

Da will er sich ganz plötzlich sputen.

Wer schreibt schon gern im Steh'n -

in Eile?

  

Da - auf der Bank, am Rathausturm,

sitzen zwei. Liebende, genauer.

Ihr wilder Kuss: der reinste Sturm.

Er setzt sich sinnend auf die Lauer...

  

...schreibt, träumt mit, in schwachem Licht;

fragt sprachlos, wie sich Glück anfühlt?

So formt sich langsam sein Gedicht,

das auch ihn ins Nirgends spült.

  

                             *

  

Nach jener Nacht schrieb er nie mehr -

nahm manches leichter,

wenig schwer,

an hellen, klaren, warmen Tagen.

  

  

  

© Ralph Bruse

Vom Glück

 

 

Das Glück ist wie ein Sonnenstrahl,

der uns streift - schwindet wieder mal.

Es könnte öfter überdauern,

wenn nirgends Stolperfallen lauern.

 

Ist es vielleicht ein Regenbogen,

der sich im feuchten Schimmern spannte -

als Wolkenberge weiterzogen

und der Himmel lichtloh brannte?

 

Minuten nur. Dann stirbt es hin -

das bunte Flimmern mitgenommen.

So kurz, das Glück, kommt´s uns zu Sinn

und doch im Lächeln angekommen.

 

Wir spüren es beim Wiedersehen

und wünschen es, wenn wir dann gehen:

viel Glück, komm zurück, und bis bald.

So sind wir uns im Stillen Halt.

 

Auch wenn es selten nur gelingt,

daß Glück, wie wir es nennen,

auch immerfort in uns erklingt...

Es kann kein Endzeit-Datum kennen.

 

...Und wir auch nicht. Also dann

gehn wir den Weg in Hoffnung weiter:

allein, zu zweit, als Frau, als Mann,

ob glücklich weinend, oder heiter.

 

Wer weiß denn schon, wo all die Sterne

am Tage funkeln, in der Ferne -

wo einer fällt von Zeit zu Zeit

und Glück streut in Unendlichkeit.

 

 

© Ralph Bruse

Von der Liebe

 

 

Sie kennt kein Arm und auch kein Reich.

Sie kann nur atmen durch Gefühle.

Die Herzen, sagt man, schlagen gleich -

in Nähe, Ferne, Hitze, Kühle.

 

Sie stolpert früh schon Purzelbäume;

lässt graue Wolken platzend ziehn.

In reinstem Glanze - nachts, die Träume:

sie können nichts, als niemals fliehn.

 

Einst schmale Pfade, werden breit

und weithin hallt nur helles Lachen.

Da war noch was...Ach ja, die Zeit:

wir können sie vergessen machen.

 

…Bis sie sich doch in Stille greift,

was wir einander selbstlos gaben...

Uns einen nimmt, oder hart streift,

um wieder Oberhand zu haben.

 

So leicht soll es ihr doch nicht sein.

Die Liebe wird immer obsiegen.

Wir schließen uns tief in uns ein

und wagen es, vereint zu fliegen!

 

 

© Ralph Bruse

Sterne

 

 

Wir sind wie Sterne. 

Lassen uns, wie wir sind. 

Du und ich. 

Je nach Laune leuchten

wir einzeln, oder zusammen. 

Tragen Sorgen, Schmerz, 

Hoffen, Bangen und Lachen 

zu uns hin. 

In Freundschaft. Und Liebe.

 

Im Dämmern steigen wir himmelan. 

Bei Tag ins Unendliche.

Erlöschen heißt nur, daß wir uns nicht 

sehen. Aber fühlen. 

Immer da sind. Strahlend hell funkeln. 

Am Abend. Da hinten, am Deich. Wo 

die Nacht ohne Schatten ist.

Und alles schläft.

 

 

(c) Ralph Bruse

Ganz unten

 

 

Zwei Zimmer, unten. Dusche, Klo.

Kellergeschoss im Irgendwo.

Der Mond schleicht nachts vorbei.

 

Schaut dort nicht rein, beim Mann im Dunkeln -

der sieht auch nicht die Sterne funkeln -

sitzt da, in schwachem, gelben Licht.

 

Ist mal er selbst, öfter ein anderer,

geht umher als Schattenwanderer

und findet sich auch manchmal nicht.

 

Trägt Träume mit sich: leichte, schwere.

Wenn jener Ort nur heller wäre,

gäbe es keinen stummen Schrei.

 

Allein. Erdrückend ist das Sein.

Er schließt sich in Gedanken ein,

dort unten. Sehnt sich bebend fort.

 

Er ruft sie. Ruft sie immer wieder!

Dann endlich kommt sie zu ihm nieder...

Er spürt endlich die warmen Hände.

Stürme durchbrechen alle Wände

und Sonne - Sonne! füllt den Ort.

 

Aus Grau wird Weiss - aus unten oben.

Die Nacht reisst auf und Winde toben.

Dann ist es plötzlich kirchenstill.

 

Sie sitzt bei ihm. Er lehnt sich an,

beinah schon als gebrochner Mann,

der nur noch Frieden finden will.

 

Doch nun zerfliesst, was vorher war.

Dort geht das sonderbare Paar,

das niemand sieht und will verstehn.

 

Sie laufen, lachen, ohne Schuld

und frei von banger Ungeduld,

wenn taumelnd Zeit und Raum verwehn.

 

Am offnen Meer, aus tiefstem Grunde,

raunt es weithin von ihrem Munde:

> You needed me, you needed me...<

 

 

(c) Ralph Bruse

 

 

(Schlusszeile angelehnt an den gleichnamigen 

Song von Anne Murray)

Es geht ein Mann den

Deich entlang

 

 

Die Wolken segeln langsam hin,

bis sie in Finsternis verschwinden.

Er kratzt ausgiebig Bart - das Kinn -

wird seinen Weg im Dunkel finden.

 

Der harsche Wind kühlt seine Glieder.

Die Weite zieht ihn flüsternd fort.

So stand - und steht er nun auch wieder

am heimlichen, vertrauten Ort.

 

Die Nacht hüllt ihn in tiefe Schwärze.

Kein Mond scheint. Keine Sterne blinken.

Er greift zur mitgebrachten Kerze;

zündet sie an und lässt sie sinken.

 

Die kleine Flamme schwimmt hinaus,

sobald die Flut das Land erreicht.

Er weiß: das Licht geht ihm nicht aus -

es hebt und senkt sich nur ganz leicht.

 

Er könnte auch an´s Grabmal gehen,

wo sie in schwerer Erde ruht.

Nein, denn nur hier, wo Winde drehen,

tut sie ihm in der Seele gut.

 

So zündet er in mancher Nacht

ein Licht im trüben Dunkel an.

Wenn er dort draußen leise lacht,

erzählt man sich im Ort vom Mann.

 

...In Ehrfurcht von dem Kerl am Deich,

der ruhelos an´s Ufer strebt...

Verstehn sein Sehnen wohl - obgleich:

auch nicht, weil er von Träumen lebt.

 

                             *

 

Es kam ein klirrend kalter Winter:

am Ufer saßen zwei Gestalten...

Der Mann, die Frau, und gleich dahinter,

die Boote, die im Eiswind halten.

 

Die Nacht war dort, wo beide saßen

von magisch hellem Schein durchbohrt.

Sie fuhren lichte Wasserstraßen

hinaus, zu sich, und nie mehr fort.

 

 

Worte & Foto: (c) Ralph Bruse

Mancher Tage Abend

 

 

Alle Straßen menschenleer

zu stiller, dunkler Stunde.

Gehen Gedanken auch umher:

schweigt doch das Wort im Munde.

 

Der eine wird noch lachen.

Der andere bleibt stumm.

Der Starke hilft dem Schwachen -

und jenen tröstet Rum.

 

Vielleicht kommen Erinnerungen

und schwere Sehnsucht nieder.

Wird mancherorts auch noch gesungen:

in´s Wispern fallen Ort und Lieder.

 

Der schöne Schein, der dich verführt -

und ist´s auch nur den Augenblick,

wenn schwarze Nacht ihn sanft berührt:

du findest bald zu dir zurück.

 

Du zündest eine Kerze an.

Legst dich ruhig nieder.

Und von draußen, irgendwann

kommen zaghaft hin - und wieder

Flüsterstimmen zu dir rein.

 

 

 

©  Ralph Bruse

Abendröte

 

 

Morgendämmerung macht sich im Zimmer groß.

Henning erwacht. Sein Arm trudelt seitwärts.

Rike ist schon auf. Er hört sie in der Küche hantieren.

Er schlüpft in seine Filzschlappen. Streckt sich, dass

es knackt im alten Knochengebälk. > Denn man to. <

Sagt er alle Morgen. Auch hier, bei Rike.

Ihr Lächeln sieht er schon am Flurende. Sie streckt die

Arme vor. Im knielangen Nachthemd steht sie da. Das

Haar struppig und wild in alle Richtungen wegstehend.

Er küsst sie. Die Frage, ob sie beide gut schliefen, erüb-

rigt sich. Sie schliefen wenig, aber gut, weil auch der 

gestrige Tag leicht dahinging und die Nacht in zärtli-

chem Halten: kleinere Sorgen losgelassen, wenige Fra-

gen, viel Geben. Sich spüren.

 

Nach der langen Umarmung setzen sie sich. Nicht gegen-

über. Viel zu groß der Raum zwischen ihnen. Nebeneinan-

der. Stuhl an Stuhl. Dicht an dicht. Sich immer wieder an 

die Hände fassend. Die Gesichter streichelnd. 

Sie mögen ihre alten Gesichter. Die hellen Augen darin, 

mit blassroten Rändern; den Kerben, die Furchen.

Rike trinkt ihren Kaffee mit Milch. Beisst in ihr aufgebac-

kenes Roggenbrötchen von gestern.

> Nichts drauf?, < nuschelt er lächelnd.

> Ohne alles, < nuschelt auch sie, stolz lächelnd. > Weißt 

du doch. <

Ja, wusste er. Neigte sich noch näher zu ihr. Und dann war

für länger nur noch ihr leises Schmatzen in der Küche zu hö-

ren. Auch das Ticken der Wanduhr. 

Zeit. Die Uhr...Um das Ticken scherte sich niemand - nicht 

Rike, nicht Henning. Sie sind im Hier. Im Moment. Die stei-

gende Sonne am Fenster will ja auch nicht wissen, wie spät

es ist. Sie geht einfach auf und holt die Schatten aus allen

Ecken.

 

Später, nach einer Radtour mit mehreren Verschnaufpausen,

fallen sie irgendwo außerorts ins warme Gras, das sich schon 

warm und weich anfühlt. Nichts weiter geschieht. Garnichts.

Nur eine kleine Wolkenherde zieht über sie hin. Sie sehen auf -

und sich an. Fürchten sich nicht vor der anrückenden Abend-

dämmerung.

Die letzten paar hundert Meter schieben sie ihre Fahrräder 

längs der vielbefahrenen Straße. Lang ist die Chaussee. Sie

reicht schnurgerade bis hinter den Horizont. Da, wo am tiefrot

aufreißenden Himmel lautlos Kraniche zum Meer hinziehen.

 

 

 

© Ralph Bruse

Heimlich

 

 

Die See lag schillernd und verlassen.

So kam sie leisen Schritt´s daher.

Er schloss die Augen, händefassend

und sah im großen Nichts doch mehr.

 

Sie ahnte, nicht allein zu sein.

Schon fiel durch´s Nebelwehen

ihr Kleid auf jenen Uferstein.

Und lächelnd blieb sie stehen.

 

Er saß dort, in den Dünen,

am krummen Kieferbaum.

Er konnte sich nicht regen,

berauscht vom fernsten Wahrheitstraum,

wollt´ er sich niederlegen.

 

Doch plötzlich knackt ein Ast, und dann

blickte sie jäh herüber.

Sah ihn nicht mal erschrocken an.

Da war ihr Lächeln wieder...

 

Sie lief - taucht in die sanfte See

aus Rauch und Stille ein.

Kein Aufbruch tat ihm je so weh.

So ging er einsam heim.

 

 

(c) Ralph Bruse

Was bleibt

 

 

Was einmal von uns bleiben wird, weiß ich nicht. Ein

paar Briefe, vielleicht: voll großer Gefühle, himmelhoch

jauchzend, oder begehrend und tränengetränkt.

Vielleicht hebt irgendwann jemand unsere Briefe auf,

bewahrt sie, liest darin und fühlt genauso, wie wir einst:

setzt sich an seinen Tisch, schreibt nach langem, uner-

klärlichem Schweigen der Geliebten ein paar Zeilen. 

 

Vielleicht antwortet sie ihm ja, daß er nie vergessen war,

daß all seine Briefe noch da sind und kein einziger verlo-

ren ging. 

Er schreibt ihr von den Liebesbriefen, die er zufällig beim

Entrümpeln fand - daß sie ihn in kühlen, einsamen Näch-

ten wärmten und daß in einem der letzten Briefe stand: 

Nur diesen einen Kuss noch, Liebster.

 

Was von uns bleiben wird....ist tief in dir und mir. Wir 

nahmen es mit. In sonnenhelle Ewigkeit.

 

 

© Ralph Bruse

     Christine

       Ralph

       Heike

  unbekannter Maler

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