In Geborgenheit: Chris und Ralph
Inhalt:
Sie schickt ihm den Wind.
Kristallklar
Erwartung.
Schlafende Menschen
Freude.
Hinterhof
Welche Woche?
Bei dir
Behalten.
Sehnsucht nach der Stadt.
Freibad
Nichts tut mehr weh.
Das Fenster.
Ich bin.
Wir sind.
Das Leben geht weiter
Der Stein.
Nähe
Glück
Im Jetzt.
Mein Freund.
Wie ist das?
Wege
Meine Rose.
Um was geht es hier eigentlich?
Ein Stück der Zeit
Die Kapelle.
Die Einsamen
Hier nicht
Bernsteinglas
Mensch
Am Ende der Nacht
Das erste Treffen.
Schlaf du
Sie schickt ihm den Wind.
Sand knirscht unter ihren Sohlen,
sie lächelt ins Blau und auf die endlosen Molen.
Alleine weilt sie am Meer;
das letzte Mal ist schon so lange her.
Könnt` er nur das Maritime sehen,
mit ihr an Holsteins Küsten gehen,
den Geruch des Wassers atmen, riechen, fühlen,
im Sande wühlen, sich mit ihr im Wasser kühlen.
Ihr Blick streicht über die Felder und Wiesen,
über´s Bauernland, wo die Bächlein fließen,
wo der Raps mit Gelb die Herrlichkeit bedeckt
und die Wiesen mit Blumen bunt befleckt.
Könnt` sie ihm das alles zeigen!
Innig ihre Gedanken sich zu ihm neigen.
Die Möwen fliegen ans Wasser und kreisen wieder davon,
da klingelt auch das Telefon.
Sie muss das Handy aus der Tasche holen.
Jetzt steht sie auf einer der Molen,
und etwas hinter der Hand verhohlen,
weil da Leute sind,
plaudert sie liebe Worte verstohlen…
und schickt ihm mit ihrer Zärtlichkeit
den Wind.
Worte: © Christine Biermann
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Kristallklar
Vierhundert Meilen...Schätzungsweise.
Das ist im Ganzen erstmal viel.
Verkürzen ließe sich die Reise
nicht ohne uns und erst am Ziel.
Doch wir sind nun mal da...
Weit draußen.
Wenn sich der eine dorthin setzt,
sitzt auch der andere schon da:
weit auseinander – doch vernetzt,
greifen wir zum smarten Phon
und sind uns, wie in Heimkehr, nah.
Fünfhundert Meter hoch gelegen -
da gehn wir zueinander hin;
immer zu zweit auf Sonnenwegen,
mit manchem Unfug auch im Sinn.
Ganz obenauf, in ebner Höhe,
hör ich dich dann kristallklangklar;
erspüre dich in nächster Nähe,
wo mehr, als deine Stimme war.
Schon klar, dass ich verschroben bin.
Der Raps: wie Gold, in voller Blüte.
Der Löwenzahn verreiste,
als Pusteblume zum Gestüte.
Am Heuschober sank hin, das meiste,
der aufwirbelnden Fallschirm-Herde.
Die anderen drängten zu dir,
ließen sich wippend um dich nieder.
Wie still es plötzlich war im WIR,
bei aller Wehmut, hin – und wieder,
auf unser beider warmen Erde.
© Ralph Bruse
Erwartung.
Durch das geöffnete Fenster
dringen Abendlüftchen,
die parfümieren mit zarten Blumendüftchen
in ihr kleines Zimmer.
Um diese Zeit sitzt sie an ihrem PC immer.
Ihr Herz tut sich wechselnd auf in Prosa und Poesie.
Folgend stets der launischen Melodie,
von Freude und Melancholie.
Das Gemüt springt oft aus der Spur,
es schwankt zwischen Moll und Dur.
Träumend stellt sie sich ihren Freund vor,
und leise schwingt das Gartentor.
Sie schaut hinaus, hält herzklopfend inne:
Sah sie IHN eben oder täuschten ihre Sinne?
Sie steht auf und geht zum Fenster,
ist es wahr oder blenden sie tanzende Gespenster?
Lass dich nicht foppen, denkt sie im Scherz,
er kommt im Mai, wir haben erst März.
Lass` dem Raps doch Zeit zu reifen,
die Sonne durch die Felder schweifen
warte, bis die Erdbeeren süßen,
dann kannst sie mit ihm genießen.
Vielleicht schiebst du Diebesgut in seinen Mund hinein,
nur warm und nachte muss es auf den Feldern sein.
Warte Herz, er wird bald zu dir kommen,
die Sehnsucht hat sich das lange schon vorgenommen.
Sie schließt das Fenster, zieht die Gardine vor.
Noch immer schwingt das Gartentor.
Worte & Foto: © Christine Biermann
Von Chris für Ralph.
Schlafende Menschen
Der Mann im Zug war eingeschlafen.
Er wachte nicht mehr auf.
Vorher lief er noch dort, im Hafen
und stieg den Weg zum Leuchtturm rauf.
Der Wind zerrte an seinen Haaren.
Die Sonne brach sich Bahn, da oben.
Er schwächelte in manchen Jahren.
Nun stand er dort, im wilden Toben...
Und spürte sich ganz ohne Schmerzen;
wankte nur träumend hin – und her.
Die Ängste flogen aus dem Herzen,
als würde es ganz leicht – und leer.
Er legte seine Kleider nieder
und weitete die Arme.
Er war der junge Alte wieder,
der spürt im Frieren auch das Warme.
Später halfen Spaziergänger,
dem nackten Mann in seine Kleider.
Er blieb dann doch noch Stunden länger:
garnicht wissend, wohin – leider.
Auf Umwegen: zum letzten Zug.
Darin saß er nicht ganz allein.
Der Tag. Sein Lächeln – war´n genug.
So schlief er seelenfriedlich ein.
*
Ihr sanftes Streicheln weckte ihn.
Er sieht sie wirklich. Schaut umher.
Am Himmel: keine Wolken mehr -
er sah die dunkle Horde fliehn.
© Ralph Bruse
Freude.
Lass uns das Glück beim Schopfe fassen,
unsre Hände ineinander verschlingen,
laufen durch alte versteckte Gassen,
uns endlich aus der Fassung bringen.
Lass uns aus dem Brunnen trinken,
unsere Haut mit seinem Wasser kühlen,
in der Hütte Einkehr finden
und wieder unsere Freude fühlen.
Gib deinem stillen Wesen einen sanften Stoß,
denn diese Zweisamkeit ist unser wertvolles Glück.
Leg deinen Kopf in meinen Schoß;
dieser Augenblick kommt SO nie mehr zurück.
Lass uns fühlen endlich das Leichte,
uns nicht im tiefen Wasser versinken;
das Leben genießen in der Seichte,
aus dem Kelch der Freude trinken.
Freund, lass` uns das Glück beim Schopfe fassen.
Ich werd` dich nie alleine lassen!!
Worte: © Christine Biermann
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Hinterhof
Im grauen Hof steht er allein.
Der Mond zieht schimmernd hin, im Wehen.
Der große Abend scheint zu klein,
als stirbt ihm, was die Augen sehen.
Nur Trübe schwebte in der Nacht.
Auch Schwere kam hinzu und nieder.
Wann hatte er zuletzt gelacht?
Wo war´n sie hin, die frohen Lieder?
Hinter den Wolken träumen Sterne.
Vielleicht kann sie die jetzt auch sehen.
Die Nähe spürt sich in die Ferne...
Sie wird am Fenster, mit ihm, stehen.
Sie dort – er hier. Und doch gemeinsam.
Er rauchte. Hustet leise
und sprach, er sei nicht mehr so einsam -
grad so, als gingen sie auf Reise.
*
Bald floh die Schwere. Und das Hoffen,
es möge sie noch lange geben,
stand ihm auch dort, im Finstren, offen.
So ging er rein – vorwärts, ins Leben.
© Ralph Bruse
Welche Woche?
Humorvolles von Christine.
Tine hat den Schweinsbraten im Ofen,
Röhre auf, dann zu, dann wieder auf;
die Kruste wird begossen;
jetzt kann sie nur hoffen,
dass die Städter die Uhrzeit haben gecheckt.
Röhre auf, dann zu, dann wieder auf,
und wieder wird die Kruste begossen,
damit das Schwein nicht zu trocken wird,
nicht das Fett in die Soße wird abgeflossen.
Der Tisch ist für vier gedeckt,
Ole hat an der Torte geleckt.
'' Nichts da, Finger weg,
du hast noch vor der Tür zu fegen,
an dem Unkraut noch zu rupfen,
sollst den Fußabtreter vor die Türe legen,
an den Geranien Blätter zupfen. ''
Und während sie wieder ans Fenster rennt,
soll Ole draußen kehren und nicht dösen.
Sie kämpft mit dem Fleisch, damit nichts anbrennt.
Indes Ole draußen fegt alles staubfrei und rein,
soll er sich drinnen in Luft auflösen,
der Tine nicht im Wege sein.
Die Zeit zieht sich fort in eine Krise,
kein Auto sich auf die Einfahrt bewegt,
ob sie mal anruft die Liese?
Sich endlich die Nervosität legt?
Sie greift zum Hörer und siehe da,
die Freundin ist am Telefon.
„Wo bleibt ihr denn, ich brate und koche
die ganze Zeit schon.
Das Fleisch wird doch trocken wie Holz,
ich kann es bald verheizen,
du kennst meine Kochkunst, darauf bin ich stolz.“
„Tine, du hast dich vertan um eine Woche.“
Und während sie den Irrtum beklönen,
hat Tine beschämt sich dazu bekannt.
Sie wird den Braten noch einfrieren können,
doch, der ´´Verkümmerte´´
hat sich verkohlt gefühlt
und ist verbrannt.
Worte: © Christine Biermann
Grafik: pinterest.de
Bei dir
Im großen Ganzen sind wir klein;
vielleicht auch stark nur, in der Schwäche.
Der Winzling Kosmos – dein und mein,
ist dennoch Regenbogen-Fläche.
Darin gehen wir dankbar hin,
als wären wir von Schmerz geheilt.
In jedem Lächeln auch der Sinn,
dass jemand dir zu Hilfe eilt.
So ist das Finden uns gegeben,
wenn man sich aneinander lehnt
und fühlt: da war noch was im Leben,
das sich wärmend im Innern dehnt.
Im großen Ganzen soll es sein:
wir sind nur kleine Erdenlichter.
Wir blicken auf. Sehen uns an.
Und hier - das hellste Endlos-Funkeln,
im Nachtblau. Also: dein und mein...
Das sind unsere Gesichter.
© Ralph Bruse
Behalten.
Kleines Wunder, wie bist du gekommen
zu mir.
Wie hast du mich erreicht,
so weit weg von dir?
Wie hast du mich gefunden-
und unumwunden
angeknipst das Licht,
wo sonst kein Schimmer die Traurigkeit durchbricht?
Kleines Wunder, wie bist du stark an meiner Seite,
wie durchschaust du die Enge und die Weite,
damit das Profunde hat Gewicht:
Wunder, du hältst mich im Arm, damit nichts mehr zerbricht.
Du wärst wieder gegangen, hätte ich dich nicht gespürt,
so aber, hast du mein Herz berührt.
Geh nicht von mir, ich will dich behalten.
Ja, behalten.
© Christine Biermann
Sehnsucht nach der Stadt.
(Eine humorvolle Erzählung)
Tine hat es satt das Landleben,
sie sehnt sich nach der großen Stadt,
will mit Ole mal was erleben,
ob er was dagegen hat?
Ja, sacht Ole mit dem Kopf dem Kahlen;
zieh das Kleid an, das mit „über den Knien“;
ich will gern mal einen verderbten Abend zahlen;
ein Grinsen über sein Gesicht jetzt schien.
Im Bus gibt er ihr eine Selbstgedrehte zum Zieh`n.
Die Sitze sind sonst leer,
sie hockt stolz mit dem Kleid über den Knien,
in die Stadt will um diese Zeit keiner mehr.
„Ole, was hab ich da genommen,
was hast du mir zum Rauchen gegeben?“
„Damit wirst du in Stimmung kommen,
so beginnt das Großstadtleben.“
Irgendwie kommen sie tatsächlich an:
Hafen, Wasser, Schiffe; und die Landungsbrücken
blasen Brise.
Und weiter oben, tatsächlich: die Reeperbahn.
Tine schützt das kurze Kleid mit Handauflegen,
es soll nicht zu viel zu sehen sein,
sonst ist es herausfordernd, zu verwegen,
das viel zu nackte Bein.
Als sie in einer Kneipe landen,
„La Paloma“ die Platte singt,
erinnern sie sich, wie sie sich fanden.
Das ganze Damals wieder in die Herzen dringt.
Er hilft ihr auf einen Hocker;
der Barkeeper gibt Drinks, sie leeren die Kurzen ganz:
„Tine mach dich locker,
ich bitte dich um einen Tanz.“
„Ole, mir wird ganz verschwommen,
ich will wieder auf`s Land zurück,
ich glaub, ich hab zu viel genommen,
ich bin lieber dort mit dir im Glück.“
Ole meint:“ Wenn wir schon da sind,
dann ja nicht für immer,
lass uns bleiben so glücklich gestimmt,
wir übernachten noch heute hier in einem Zimmer.“
Tine gähnt schon, sie ist müde
den Weg nach Hause würden sie nicht mehr schaffen,
so haben sie die Nacht in Hamburg einfach verschlafen.
Und das End´ von der Geschicht?
So lasterhaft war das Wochenende nicht,
nur ein bisschen vernebelt und alkoholisiert,
die „Verderbtheit“ mal ausprobiert.
Worte: © Christine Biermann
Grafik: hamburgart.de
Fischmarkt und Reeperbahn
Freibad
Der Sommertag ist brütend heiß.
Wo eben Wiese war, wird’s bunt.
Der eine schleckt lustvoll am Eis.
Und neben ihm pinkelt der Hund.
Die Kinderschar am Wasserbecken,
die haben unerhörten Spaß.
Es gilt: Mutti und Papa wecken -
doch die nehmen dann auch mal Maß.
Bälle fliegen durch die Lüfte -
ein Hin – und Her. Auch scharf geschossen.
Dir klatscht auch einer an die Hüfte.
Du lächelst trotzdem unverdrossen.
Ich schau umher – seh lauter Sprotten,
die dicht an dicht der Hitze fröhnen.
Mir scheint: wie bei den Hottentotten,
die sich von weiß nach knallrot tönen.
> Ist ziemlich voll hier, findste nicht?, <
schrei ich gegen den Trubel an.
Du bist auch nicht arg drauf erpicht,
drum ziehn wir schleunigst Leine dann.
Aufs Rad. In Richtung Lütjensee.
Da wird es uns bestimmt gefallen.
Schnell noch fünf Schluck vom Lauwarm-Tee.
Da hören wir´s von fern schon schallen...
Am See tummeln sich reichlich Leute.
Wie schon gehabt: die roten Sprotten.
Und alle woll´n sie baden, heute.
Da kriste aber echt die Motten!
Also umdrehn. Nichts wie weg
und erstmal neue Pläne schmieden.
Der nahe Bach wird zum Versteck.
Mensch: herrlich, göttlich. Endlich Frieden!
Doch aus der Ferne naht schon Rattern.
Wir schaun weithin aus hohem Gras.
Na gut...zu heiß...Es ist ein Knattern,
von sechse, oder sieben Mofas.
Die Jungs und Mädels lärmen laut.
Kein Wunder bei der Affenhitze:
wer da nicht durchdreht, springt ins Kraut,
macht Quatsch, oder verpeilte Witze.
*
Wir trudeln heimwärts. Da steht sie:
die alte Zinkwanne am Haus.
So voll war die mit Frische nie.
Jetzt schwappt da klares Wasser raus.
Wir sitzen drin und kiffen eine
von diesen süßen Selbstgedrehten.
Klamotten an. Baumelnd, die Beine...
Bis Sterne von den Dächern wehten.
© Ralph Bruse
Nichts tut mehr weh.
„Jedem Hass wohnt eine tiefe Sehnsucht nach Liebe inne.“
Konstantin Weckers Weihnachtsrede, diese versöhnenden
geistigen Worte unterstreicht seine, auch meine Erkenntnis:
„Erst wenn ich den Nächsten verstehe, kann ich mich begrei-
fen.“ Das heißt: Hass nicht mit Hass beantworten, schweigen
auf Gebrüll, Drohungen und Verletzungen, weiter lieben,
auch wenn man als Feigling verachtet wird. Immer die Hand
zur Versöhnung reichen.
Ich nahm viel von dieser Rede auf mein Phone auf, wahrschein-
lich in der weisen Voraussicht, dass ich sie für meine Seele brau-
che, um den Eimer Schmutz, der auf mich geschüttet wurde, zu
ertragen. Hinsichtlich meiner schweren Erkrankung, die ich bei-
nahe nicht überlebt habe, bewahre ich meine Haltung mit Wür-
de und Dank.
Ich werde mit Liebe beschützt.
Und siehe da: Ein Semmeltüte hängt an der Türe, die Vöglein
pfeifen, die Kinder nebenan haben mir einen Schutzengel gebas-
telt, meine Kinder schickten mir Apps und mit meinem Freund
bin ich so glücklich, wie er mit mir.
Wir haben den 13. März 2024….Und nichts tut mehr weh.
Worte: © Christine Biermann
Bild: pinterest.com
Das Fenster.
Mattes Sonnenlicht blinzelt durch das Fenster
an dem sie sitzt – tagtäglich und immer allein.
Sie holt sich Kakao oder trinkt Kaffee,
sie denkt und schreibt, schreibt und denkt
und sieht aus dem Fenster.
Ihr Blick verliert sich in dem kahlen Geäst,
welches die Kälte noch frieren lässt.
Anfang März; am Grab ist es noch zu kalt,
sie wartet im Innern des Raumes bei der Kapelle
bis die Wärme alles Verschlafene wieder weckt:
die Menschen, die Tierchen, die Natur;
sie muss warten nur
bis sich die Äste belauben,
geschmeidig sich die Blätter wiegen,
sehen, wie die Vögel in den Lüften schweben,
tanzend, singend, sich frei bewegend.
Sie muss nicht mehr lange hinterm Fenster sitzen,
denken schreiben und sinnieren.
Nach März und April kommt der Mai…
und auch Ihr Freund macht sich auf den Weg zu ihr.
Diese Hoffnung machte sie glücklich,
als sie heute aus dem Fenster blickte.
© Christine Biermann
Ich bin.
Leben, ich empfinde dich.
Ich entdecke, fühle, spreche, höre, sehe.
Ich kann lachen, weinen, streiten und verzeihen.
Ich kann in Melancholie versinken
in Liedern ertrinken,
doch nichts hat sich verfinstert.
Leben, ich empfinde dich,
im Leid wie in der Liebe,
denn ich bin so
wie ich bin.
Wir sind.
Leben, wir empfinden dich.
Wir entdecken, fühlen, sprechen, hören, sehen.
Wir lachen, weinen, streiten und verzeihen.
Wir können in Melancholie versinken,
in Liedern ertrinken,
doch nichts hat sich verfinstert.
Leben, wir empfinden dich,
im Leid wie in der Liebe,
denn wir sind so
wie wir sind.
© Christine Biermann
für Chris und Ralph
Das Leben geht weiter
Was wir fürchten, dem weichen wir in weitem Bogen
aus. Vermeiden können wir es dennoch nicht:
Traurigkeit.
Kranksein.
Einsamkeit.
Sterben.
Was wir lieben - darauf gehen wir lächelnd zu:
Auf Menschen.
Kinder.
Schwache.
Tiere.
Den schattenspendenden Baum im Garten.
Die Blume im flirrenden Sonnenlicht.
Den Schmetterling, oben, auf der wippenden Blüte.
Die Lerche. Ihr helles, rastloses Singen, weit draußen.
Was wir aber noch nicht kennen, betasten wir erstmal
zaghaft. Und wenn wir uns auf das Unbekannte einlas-
sen, ahnen wir, dass wir es auf einem Weg unter gutem
Stern fanden.
*
Vielleicht denken wir später auch daran, dass es irgend-
ein Tag im Mai war, als die Uhr, die sonst immer an dei-
nem Handgelenk war, auf dem Gartentisch liegen blieb.
Daß wir keine Zeit hatten, uns vor irgendetwas zu fürch-
ten...Aber alle Zeit der Welt, um bei Einbruch der lauen
Nacht Erdbeeren vom Feld zu klauen.
Worte: © Ralph Bruse
Bild: Christine Biermann
...Erdbeeren kann man natürlich auch kaufen.
Der Stein.
Freund, ich bin hier, du bist dort,
immerfort
wächst und wächst, was zusammengehört.
Es wär` alles so leicht, wenn der Stein nicht da läge,
der dort nicht hingehört;
der Brocken Fels, der unseren Frieden beschwert.
Absichtlich wurde er dorthin gewälzt, er soll liegen,
denn das Gemeine wird immer siegen.
Da liegt er, der Stein, der sich nicht bewegt,
uns permanent im Wege steht.
Er lässt sich nicht schieben, auch wenn wir kräftig wollen;
wir bringen den Stein einfach nicht ins Rollen.
Freund, wir sind friedlich, haben auch kein Zeug zum Sprengen,
lass uns doch drum herum rennen!
Das ist es!!!, was Erlösung bringt,
denn wenn man vergeblich um Frieden ringt,
umgeht man am besten die Hürde,
behält die Liebe weiterhin in sich
und die Würde.
© Christine Biermann
Nähe
Warum, fragst du mich, müssen wir
irgendwann von hier gehen?
Die Frage blieb zurück in dir.
Wir werden manches nicht verstehen.
Warum, frag ich dich, sind wir beide
auf immer tief in uns verbunden?
Du sagtest: wenn ich von dir scheide,
dann sicher nur für ein paar Stunden.
Wir setzten uns versöhnt zur Sonne -
die Worte leichthin wie verloren.
Die Nähe, kam mir noch zu Sinn,
stirbt niemals vor verschlossnen Toren.
So saßen wir in uns vereint,
bis sich der warme Abend kühlte.
Am Stadtschloß hat ein Kind geweint,
das sich wohl gänzlich schutzlos fühlte.
Und auf dem Weg...Der krumme Mann:
Er winkte, lächelte uns an.
© Ralph Bruse
Glück
Ein Riesenteppich in leuchtendem Gelb ist das flache Land.
Staub schwebt in der Luft. Schwalben jagen uns nach. Dann
vor uns her. Flankieren uns. Die Sonne stichelt.
Und der Fluss glänzt wie der Himmel, darüber: tiefblau.
Der Weg wird schmal und schmaler. Dann holprig. Wir stei-
gen vom Rad. Schieben. Ruhen am Fluss aus. Sinken ins
frisch gemähte, immer noch hohe Ufergras.
In der Ferne rattert ein Traktor. Bis er nur noch ein blinkender
Punkt am Horizont ist. Mutterseelenallein sind wir in der Stil-
le.
> Wollen wir weiter? <
> Ja. <
> Wie weit? <
> Bis ich stopp sage. <
> Okay. <
Dir klebt das Shirt an der Haut. Mir auch.
> Komm... <
Der Fahrwind reicht für etwas Kühle. Viel zu wenig. Im näch-
sten Ort strecken wir Köpfe und Nacken unter eine Brunnen-
pumpe. Schütteln uns wie erfrischte Hunde. Lassen uns vom
auflebenden Wind das Haar struppig fönen.
Weiter. Wir trödeln schiebend, ehe wir wieder auf die Räder
steigen. Hinter dem Dorf rieseln uns Wolken aus Obstbaum-
blüten entgegen. Die Bäume – ihr Wiegen, als würden auch
sie sich schütteln. Im Raps – abertausende Bienen, deren Sum-
men alles durchdringt: die sanft rauschende Brise, raschelnde
Bäume hier und da – den irre süssherben, fast betäubenden
Duft. Von überall her strömt helles Leben und Neubeginn.
Am blauglitzernden Fluss lassen wir später die Füße im sanf-
ten Gurgeln baumeln. Langsam senkt sich der Tag. Ich suche
in den Packtaschen des Fahrrads.
> Willst du? <
Das belegte Brötchen vom Bäcker ist ziemlich hin. Der Käse
verlaufen. Das Brötchen schrumpelig.
> Schmeckt noch, < flunkerst du lächelnd.
> Stimmt, < bestätige ich. > Wie Cheeseburger mit Dellen. <
Die Enten am Flussufer sind auch nicht wählerischer, als wir.
Sie schnappen nach Brötchen Nummer drei und vier, die mit
Salami belegt sind – oder besser: waren. Die sengende Sonne
hat ganze Arbeit geleistet: die Salamischeiben wurden zu an-
gegrauter Schmierwurst.
Dämmerung legt sich nieder.
Durstig schlürfen wir das Wasser der Schlei; trudeln dann
heimwärts – schieben unsere Räder nur noch.
> Du hast garnicht stopp gesagt, < fällt mir ein.
> Hab ich vergessen. Der Fluss strömt ja auch immer weiter, <
sagst du, als die Tür hinter uns zufällt.
Draußen wird es Nacht. Der Wind schläft ein.
Und drinnen?
Dein Kuss schmeckt nach Zimt.
Glück ist überall, wo wir sind.
Worte & Bild: © Ralph Bruse
für Chris und Ralph
Im Jetzt.
Vom Gestern bis jetzt durch`s Leben getragen,
nicht gewillt nach dem Morgen zu fragen,
trinke ich das Heute wie süßen Kakao.
Schokolade, die durch meine Kehle rinnt,
mir sinnliches Wohlbefinden bringt.
Dieses Gefühl führt mich durch den Tag
träumt mich durch die Nacht,
das ist es, was mich glücklich macht.
Ich denke mich im Jetzt gesund,
empfinde noch Kakaoreste auf meinem Mund.
Vom Leben, das man vergänglich kennt
ist das Greifbarste der Moment.
Der Kakao, der gerade schmeckt,
die Sahne, die genüsslich wird geleckt,
der Freund, der gewisse Eine,
Sie wissen schon, wen ich meine.
Im Jetzt liegt das Glück,
schauen wir auch immer wieder zurück.
Denn unvergessen bleibt,
was das Vergangene mit uns treibt.
© Christine Biermann
Mein Freund.
Er hat seine Sprache wieder gefunden -
und ich die meine auch.
Wir lachen und reden am Telefon;
wenn wir schweigen, denken wir aneinander.
Er richtet sich nach mir,
ich richte mich nach ihm.
Wir lieben dieselben Lieder,
lassen die Akkorde in uns hinein.
Er ist mein Freund,
und ich bin „die Seine“ an seiner Seite
wie er auf der meinen.
Bereit zum Gesunden,
befreit vom Beladenen, das bedrückte,
meiden wir Beschwernis allgemein -
es kommt noch genug, was nicht gewollt.
Er ist mein Freund
und wird es immer bleiben.
Was die Zukunft bringt, weiß nur der Wind,
der uns treiben wird, wohin er will;
keiner kann es vorhersagen.
Wir sind noch Darsteller in unserem eigenen Film,
dafür danke ich dem Glück
und dir, mein Freund.
Worte: © Christine Biermann
Grafik: pinterest
Wie ist das?
Wie ist das, wenn sich Seelen finden,
als würden sie nach langem Wandern
sich Licht-Geschmeide sanft umbinden,
weil es den einen zieht zum andern?
Wie können Worte es beschreiben,
was eigentlich nur spürbar ist?
Und wie kann es in Klarheit bleiben,
dass man sich immerfort vermisst?
Wie kommt der Mensch zum andren hin,
nach viel zu langer, kühler Nacht?
Und wie ergibt es einen Sinn,
dass jener ahnend mit dir lacht?
Kann man im Strudel sich verrennen
und öfter dann kein Land erkennen?
Oder ist es anders herum:
was man nicht sieht, fehlt auch nicht stumm?
Vielleicht ist alles so gewollt:
von ihr, von dir, von anders her,
dass ihr nun nichts mehr fürchten sollt,
was vorher war zu groß, und schwer.
Braucht es überhaupt ein Erklären,
dass Menschen fern sich nahe sind -
dass sie des Dunkels sich erwehren
und damit Treue schon beginnt?
*
Genug der Grübelei – der Fragen.
Wir können sicher fühlend sagen:
mit Wie ist das...meinte ich: WIR.
Es kommt in Harmonie zu dir.
© Ralph Bruse
Wege
Wenn ein Weg zu Ende ist,
legt Trauer sich auf´s schwere Denken.
Schon wissend, dass man nichts vergisst,
will niemand mehr ein Lächeln schenken.
Wo dann ein neuer Weg beginnt,
das sieht der Mensch wohl lange nicht.
Die Beinah-Endlos-Zeit zerrinnt,
drückt nieder, oder sie zerbricht.
Der Mensch bleibt lange unten liegen,
oder steht langsam wieder auf...
Wenn nirgends in ihm Kräfte siegen -
oder doch jemand ruft: komm, lauf!
Und dieser eine fand, wie du,
zurück, zu sich, nach vorn – mit dir.
Ist´s auch noch Zögern, immerzu:
Der Weg ins Licht ist hier!
© Ralph Bruse
(28. September 2023)
Meine Rose.
Ich vergaß sie zu schneiden
die einsame Rose in meinem Garten,
da war`s schon September.
Als ich krank wurde, verließ ich sie ganz.
Der Schnee kam im November
welcher die Rose mit Weiß bedeckte.
In dieser Zeit kehrte ich zurück.
Bemerkte zunächst nicht das Wunder;
ich war drinnen und sie war draußen,
Doch als ich sie wurd` gewahr,
traf sie mich mitten ins Herz.
War ich doch dem Tode, jetzt dem Leben nah.
Erst nach meiner Rückkehr ließ sie die Schönheit fallen,
das Warten hat sich schon gelohnt.
Mehr brauchte es nicht.
Resistent wie die Rose will ich dankend
bleiben im Jetzt.
Nun, da ich sie hab geschnitten,
werde ich sie und mich im Frühjahr
um neues Leben bitten.
Worte & Foto: © Christine Biermann
Um was geht es hier eigentlich?
(Januar 2024)
Ich mag nicht mehr in der Oase sein.
OASE, das klingt nach Wohlfühlen, Entspannen, Freude.
Und nach Versöhnung, wenn es dazu einen Anlass gegeben hat.
Obwohl ich niemandem etwas angetan habe, musste ich,
(mehr er), Häme, Spott, Verletzung erfahren.
Von „Freundinnen“ unterstützt, ist das Mobbing wie in der
Schule heutzutage.
Ganz ehrlich? Es sind alte Damen, wenn ich sie so nennen darf,
die applaudieren, welche anscheinend nichts Eigenes als nur die
alten Geschichten „der angebeteten Freundin“ zu Papier bringen
und überschwängliche Kommentare für einen Vierzeiler abgeben,
wofür sich die Dichterin nochmal in Eitelkeit verliert.
Man sollte die Kirche im Dorf lassen. In der Kürze liegt die Würze.
Wo bleibt das versöhnliche Herz im neuen Jahr?
Ja, die Angebetete sprang über ihren Schatten und wünschte dem
ehemaligen Freund und mir alles erdenklich Gute. Darüber hab
ich mich echt gefreut.
„Halt! Nimm das bloß wieder zurück, das ist Verrat!!!!“, sagt die
Eine, die ihren Einfluss geltend macht, sonst bliebe sie als Freun-
din weg.
Darum - zurück das Ganze: Entschuldigung, die falsche Wortwahl
an den Feind.
An den Feind? Verrat?
Sich zu trennen ist kein Verrat, sondern: Schluss, Aus, Ende.
Die Versöhnung zurückzunehmen, das ist feig.
Ein neues Jahr, gute Wünsche, das sollte ein ideales Vorbild sein
für die kaputte Welt.
Ich würde eine Entschuldigung immer noch annehmen, doch in
der Oase möchte ich nicht mehr sein.
Chris
© Christine Biermann
Ein Stück der Zeit
Wer weiß, wohin wir einmal gehen?
An welchem Ufer wir dann sind?
Umfängt uns dort ein warmes Wehen?
Und wenn: wo manches neu beginnt?
Das Zeitliche – wann wird es enden?
Werden wir uns auch Briefe schreiben;
als hätten wir uns noch an Händen,
um überall in uns zu bleiben?
Kann in die Nächte Licht dann steigen,
das alle Traurigkeit erhellt?
Oder wird sich der Mensch verneigen,
in Schweigen, vor dem Lauf der Welt?
Ach, weißt du: wir sind doch im Jetzt -
zwar nicht mehr jung an Jahren -
von Abschieden auch schon verletzt,
wenn wir gerade selig waren.
*
Wir borgen uns in Dankbarkeit
und stillem Glück, ein Stück der Zeit.
Worte: © Ralph Bruse
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Die Kapelle.
Hoffentlich kommt sie nicht vom Wege ab
die kleine Frau im Nebelgrau,
welche nach jener Kapelle sucht,
die bis Oktober von Wallfahrern überflutet,
ihr im November Zeit zum Nachdenken geben soll.
Sie sieht die Hand vor den Augen kaum,
als sie Stufen unter den Füßen spürt,
erblickt endlich das bescheidene Gotteshaus,
aus dem ein Licht scheint.
Hat sich ein Mensch verirrt, trat er deshalb ein?
Sie öffnet die Pforte und geht hinein.
Ein Mann sitzt auf der Bank, Kerzenlicht lässt ihn erkennen.
Soll sie ihm in der hintersten Reihe entfernt bleiben
oder wagt sie eine Bleibe neben ihm?
Sie sind doch aus demselben Grund gekommen:
Aus Einsamkeit, Trauer, Sorgen, Melancholie.
Behutsam nähert sie sich ihm und schaut ihn an.
Sein Blick ist warm, sein Ausdruck nicht abweisend.
Ein Gefühl von Zuneigung überströmt ihr Innerstes,
so nimmt sie seine Hand und er streichelt die ihre.
Dann erkennt sie die Intimität und trennt sich scheu von ihr.
Noch ein dankbarer Gruß, sie geht.
Als sie vor der Kirchentüre steht, fühlt sie seine Hand auf
ihrer Schulter.
Sie brauchen sich nicht zu erklären,
finden sich vertrauensvoll durch den Nebel.
© Christine Biermann
Die Einsamen
Den Blick im feuchtkühlen Halbdunkel versunken, saß
er da.
Es war...ein Dienstag? Oder Mittwoch?
Er wusste nur sicher, dass es nicht Sonntag war. Dann ist
Messe und die kleine Kirche im Dorf wird ihm zu klein.
Zu eng.
Die schwere, hölzerne Pforte ist nie verschlossen: kom-
me wann und wer auch immer will.
Er rutscht tiefer ins Halbdunkel; starrt lange und abwech-
selnd ins Leere und seitwärts, zu den langen, blaurotgrün-
gelben Mosaik-Rundbögen.
Kalt. Er friert. Die Kälte kriecht von den Füßen aufwärts.
Warum sitzt er hier im Fastdunkel? Warum immer dann,
wenn sonst niemand hier ist?
Ein Knarren. Von der dickhölzernen Eingangstür her.
Er zuckt zusammen – saß hier doch immer mutterseelen-
allein – nur er, der Welt, draußen, verloren gegangen.
Die ältere Frau nickt ihm zu. Lächelt knapp, aber freund-
lich; setzt sich zwei Bankreihen hinter ihn.
Er wird unruhig. Er kann sich ja nicht dauernd umsehen,
was wohl auch garnicht erwünscht ist. Trotzdem: sie soll
sich gefälligst vorne hinsetzen - da, wo er sie besser im
Blick hat.
Als hätte sie seine Gedanken erahnt, oder sogar in ihnen
gelesen, trippelt sie in den Mittelgang, und von da aus
vier Reihen nach vorn. Dann überlegt sie es sich anders:
sie kehrt um und nimmt die dritte Reihe in Besitz – seine
Reihe – und lässt sich neben ihm nieder. Summt irgendwas
vor sich hin, ohne ihn anzusehen. Er allerdings schaut sie
verwundert an.
Seine Unruhe nimmt zu – und beinah gleichzeitig wieder
ab.
Sie schaut schließlich auf und nach vorn. Er kann erkennen,
dass ihr Blick verschwimmt. Sie ist in Trauer und summt
dennoch, als könne so aller Kummer leichter werden. Als
wolle sie auch seine Trauer mit fortnehmen.
Er könnte gehen. Sollte er. Oder irgendwas sagen. Kann er
eben nicht, weil sie plötzlich ihren Kopf an seine Schulter
sinken lässt.
Später, beim Rausgehen, schrieben beide etwas ins aufge-
schlagene Kirchenbuch.
Sie nur ein: Danke.
Und er: Wir versprachen uns nichts.
Doch: Halt.
© Ralph Bruse
Hier nicht
Der grummelnde Himmel verfinsterte sich.
Er sah auf. Kniff die Augen.
Krähen verirrten sich im Irgendwo.
Er sollte rennen – schleunigst verschwinden. Doch er blieb,
wo er war. Kam nicht von der Stelle. Stand nur da - streckte
Arme und Hände hilflos vor.
Das Unwetter brach los. Blitze jagten vom Himmel. Donner-
salven krachten nieder. Wie ein wütendes Raubtier fauchte
der Wind.
Er sollte verschwinden. Taumelte doch ein paar Meter vor-
wärts, gegen den aufkommenden Sturm.
Da oben: das dunkle Gewölk zerriss. Er starrte in einen blut-
roten Schlund. Ein Maul: riesig, bedrohlich.
Bluthimmel.
Als er aufwachte, fand er sich in den Dünen am offenen
Meer wieder. Er dachte noch: nun sei er tot. Umgekommen
im Sturm. Alles ist unwirklich. Doch da war ja Sonne, deren
scheuer, schmaler Strahl über struppig gelbe Halme hinstrich –
der an seiner hingestreckten Hand innehielt, um dann weiter,
auf´s offene, unheimlich stille Meer zu ziehen.
Er klopfte den Sand von seinen Kleidern und lief vor, an´s
Wasser. Dort saß sie im feuchten Sand: von schwerer Krank-
heit genesend und lächelnd. Sie winkte ihm.
Er setzte sich zu ihr.
> Es war Sturm, < sagte er.
> Hier nicht, < sagte sie.
Er umarmte sie sanft und beruhigt.
Ihr Haar umwehte sein Gesicht. Streichelte seine alte Haut.
Worte: © Ralph Bruse
Bild: pixabay
Bernsteinglas
Das Fischerhaus am Lütjensee...
Wie kamen wir nochmal dorthin?
Ach ja...Es rieselte der Schnee.
So machte es dann einen Sinn.
Wir kehrten also ein, und danken -
mit Blick zur Tanne, vor der Tür -
für Tee im Glaspott. Wie wir tranken,
wärmten sich Männer auf, mit Bier.
Im Ganzen saßen sieben Leute,
mit uns gerechnet, an den Tischen.
Der Sechsundzwanzigste war heute.
Zur Weihnacht geht man nicht mehr fischen.
...Oder wohl doch: der eine Mann
erhob sich schnaufend – stapft hinaus.
Ein Motor sprang im Schneedampf an.
Dann fuhr der Kutter knatternd raus.
Die Lichter an der Tanne, draußen,
sanken in starkem Schneefall nieder:
als würde jede Spur zerzausen
und nur das Jetzt kommt immer wieder.
Du lächeltest durch Bernsteinglas.
Ich lächelte zu dir zurück.
Da war noch was, das ich vergaß,
vor lauter Du in stillem Glück.
Worte & Bild: © Ralph Bruse
Mensch
Sie schreibt: vergiss dein Lächeln nicht,
auch wenn du lieber weinen willst.
Von hier kommt jetzt zu dir mein Licht:
solang´, bis du den Kummer stillst.
Das schreibst du einfach so - in Sorge,
von Mensch zu Mensch - von dir zu mir.
Was ich mir noch in Scheu dann borge,
ist doch Geschenk - und bleibt im Hier.
Ich kneife mich dann öfter mal
und denk´: kannst du so selbstlos sein?
Ja, kannst du. Auch im tiefsten Tal,
saß ich dann wohl nie ganz allein.
Nun schauen wir ins Land, von oben.
Nicht weit - immer den Augenblick.
Zuviel darf ich vielleicht nicht loben,
sonst pfeifst du lächelnd mich zurück.
*
Der Stift, zur Hand, muß bei mir bleiben.
Doch zu dir wird mein DANKE treiben.
© Ralph Bruse
für meine Freundin Christine
Am Ende der Nacht
Von dir hab ich geträumt.
Nun stehe ich im Morgendämmern am Fenster.
Die noch schwach blinzelnde Sonne holt den Mond.
Nebelrauch flimmert unwirklich im noch stillen
Land. Nur noch wenige Minuten – dann schwebt
das blasse Blau der Nacht dahin.
Ich sollte mich hinlegen – eine Handvoll Schlaf fin-
den – und Ruhe.
Wie Lichtgeister krümmen sich die paar Lampen,
längs der Chaussee.
Ein Hund bellt irgendwo.
Der Mann mit Fahrrad und Zeitungen hinten, im
Holzhänger, sieht mich am Fenster stehen. Er grüßt
nickend, trudelt dann weiter, die nass glänzende
Chaussee runter. Mein Blick folgt ihm, bis er im dich-
ten Frühdunst verschwindet.
Ich nicke, wie er zuvor – versuche ein Lächeln. Es ge-
lingt. Oft misslang es. Aber nun öffnet es sich zaghaft.
*
Von dir träumte ich, letzte Nacht. Wir wiegten uns noch
etwas unbeholfen in fast völliger Dunkelheit, am weißen,
nebelversunkenen Schloß. Unter Sternen. Stolperten.
Fielen...und fielen.
Halfen einander auf. Wie Unzertrennliche.
© Ralph Bruse
Das erste Treffen.
Fern von ihrer geschützten Fan-Meile Familie
sitzt sie im ICE nach Mittel-Deutschland.
Was mögen die Mitreisenden im Abteil von ihr denken,
denn sie ist alt, eine Witwe unter tausenden?
Obwohl, ist sie eine besondere, die von einem unbekannten -
viel jüngeren Mann - verehrt wird, was sich nach sieben Monaten
Mailkontakt zu einer gegenseitigen Zuneigung entwickelt hat.
Einer nicht mehr ohne den anderen.
Das Alter spielt keine Rolle mehr.
Profan gesagt, ist es eine Internetbekanntschaft, die über ein
Gedichte - Forum geschmiedet wurde.
Doch so einfach ist die Geschichte nicht.
„Wer ist der Mann“, der ihre Reimerei kommentiert?
„Wer ist die Frau“, die ihn interessiert?
Zwei einsame Herzen, die sich nicht suchten, sondern fanden.
Sie haben sich noch nie gesehen und kennen sich doch eine Ewigkeit.
Er kommt mit dem Auto aus dem Südwesten Deutschlands, sie aus
dem Norden. Sie haben sich zusammengeträumt, sind Herzensfreunde
geworden. Was soll aus ihnen werden, wenn sie sich zum ersten Mal
am Bahnhof treffen?
Ihr klopft das Herz bis zum Hals, denn jeder Schritt in jener Kleinstadt
in Thüringen wird ihre Bestimmung sein.
Hotel - Freundschaft - Liebe - Verstehen?
Was werden sie behalten beim Auseinandergehen?
Niemand in dem Zugabteil traut ihr in ihrem Alter eine Liebe zu,
die eigentlich nicht sein darf.
Dennoch sitzt sie in jenem Zug ZU IHM.
Worte: © Christine Biermann
Bild: pixabay
Schlaf du
> Wie lange wirst du noch brauchen?, < sagte sie.
> Zwei Stunden, vielleicht, < beruhigte er sie.
> Komm bald...<
Dann knackte es in der Leitung.
Schlaf du, wollte er noch sagen. Obwohl er wusste, dass sie
wachbleiben und auf ihn warten wird.
Schneefall hatte eingesetzt. Atemlos, fast störrisch schrapp-
ten die Scheibenwischer funkelnde Flocken aus dem Weg.
Er wurde etwas unruhig; schaltete das Radio ein. NDR.
Nachtsendung. Ein Mann erzählte der Moderatorin davon,
daß er die Stille als Sprachnachricht per Smartphone an alle
seine Freunde verschicken würde. Die reine Stille – sonst
nichts.
Die Moderatorin konnte ihr Kichern nur schwach unterdrüc-
ken; fragte dann aber doch: warum Stille?
Weil jede Stille anders ist, gab er überzeugt zurück.
Ach so, antwortete sie nur noch und leitete geschickt über,
zum nächsten Anrufer.
Er stoppte den Wagen am Fahrbahnrand. Die Sicht wurde
schlecht und schlechter. Der dichte Schnee warf sich entfes-
selt in die Nacht, als wolle er alles begraben, was sich vom
Fleck rührte.
Er blieb sitzen; ließ den Motor laufen; auch das Radio. Ein
Mann erzählte vom Glück seiner späten Liebe. > Ich kenne
nur ihre Stimme, ihre Gewohnheiten, ihre Worte, unsere ein-
samen Tage, die Nächte, wenn wir uns fühlend umarmen...<
Sind wir...bin ich verrückt?, < fragte er nach einer Weile.
> Nein, garnicht, < antwortete die Studio-Sprecherin resolut.
> Ach so, < hört er sich selbst sagen. Steckt sich eine Ziga-
rette an, kurbelt das Seitenfenster etwas herunter.
> Ach so...Dann ist es gut. <
Im Rückspiegel sieht er grelle Strahler auf sich zukommen,
die das wilde Schneetreiben durchbohren. Ein Räumfahr-
zeug. Vorn: die breite Schaufel; hinten: Grausalz, das erst
kreisförmig und dann quer über die blitzweisse Straße fliegt.
Er hängt sich dran. Immer knapp dreißig Meter dahinter. Sein
Lächeln wird sicherer. Er weiß, dass er es die Nacht zu ihr hin
schaffen wird. Vorhin war das noch ganz anders. Aber jetzt
ist jetzt. > Mach hinne, < nuschelt er vor sich hin. Lächelt wei-
ter - immer weiter, als könne er nie mehr aufhören. Sein Herz
hämmert in der Brust. Schlägt Purzelbäume.
> Schlaf du...Ich bin schon auf dem Weg. <
© Ralph Bruse